Christian Gottfried Becker

(1771–1820)

 
 
 

Christian Gottfried Becker war lange vor Unternehmern wie Haubold oder Hartmann der erste Großindustrielle in Chemnitz. Mit ihm begann der Aufstieg der Stadt zum späteren Sächsischen Manchester. Der am 2. September 1771 als Sohn eines Pfarrers geborene startete mit einer kaufmännischen Ausbildung in Dresden, ging 24jährig in die Selbstständigkeit, errichtete bereits 1797 in der heutigen Chemnitzer Aue eine Kattunfabrik und gründete kurz darauf mit dem Weber Schraps die Kattundruckerei Becker & Schraps. Anfang der 1810er Jahre, nach Ablauf der Privilegien der ersten Chemnitzer Spinnereien (Gebr. Bernhard und Wöhler & Lange), errichteten Becker & Schraps an der Ecke der heutigen Straßburger- und Florian-Geyer-Straße eine mit Wasserkraft betriebene Baumwollspinnerei. Hier ratterten in 9 Sälen, 52 Maschinen mit 12.000 Spindeln. So groß war keiner! Napoleons Kontinentalsperre beschleunigte die Industrialisierung auf dem Kontinent. Das Fabrikgebäude ging 1945 in Flammen auf.

Becker verstand es, innovative Technologien anzuwenden und mehrere Produktionsbereiche wie Kattundruck, Baumwollspinnerei, Weberei und Vertrieb miteinander zu verbinden. Seine Firma beschäftigte bis zu 2.500 Arbeiter in einer Stadt mit 10.000 Einwohnern. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, klug und umsichtig, dabei entscheidungsfreudig, gewandt und weitblickend. Er dachte global, verglich seine Produkte mit ausländischen und suchte permanent nach Verbesserungen. Seine Schnelligkeit wurde sprichwörtlich.

Als vorbildlich und damals nicht selbstverständlich wird sein soziales Engagement geschildert. Im Hungerwinter 1816/1817 kaufte er Getreide in Polen und verteilte Brot an die Notleitenden. Für Kinder betrieb er eine Fabrikschule, leistete Lohnfortzahlungen für Erkrankte, übernahm Kosten medizinischer Behandlungen, gewährte freie Nachmittage vor Feiertagen, nahm Waisen auf. In seinem Testament bedachte er mit Zuwendungen Bedienstete, die Armenkasse und den Bau einer neuen Schule.

Die Stadt sah sich zu großem Dank verpflichtet. Die 1868 entlang des Chemnitzflusses unterhalb des Kapellenberges angelegte Straße erhielt seinen Namen, später auch die dort die Chemnitz überspannende Eisenbahnbrücke. Der Becker-Platz folgte, befand sich bis 1945 vor der Börse. Auf Betreiben Richard Hartmanns errichtete der Chemnitzer Verschönerungsverein 1871 anlässlich seines 100. Geburtstages ein bronzenes Becker-Denkmal. Es fiel 1940 im Zweiten Weltkrieg der „Metallspende“ zum Opfer. Noch heute erinnert seine Grabstätte im Park der Opfer des Faschismus (ehemals alter Johannisfriedhof) an ihn, eine der auserlesenen, die nach der Auflösung des Friedhofes im 19. Jahrhundert erhalten wurden.

Beckers Wirken blieb auch am Dresdner Hof nicht unbemerkt, Besuche seiner Fabrik und die Verleihung der Civil-Medaille zeugen davon. Im Alter von 49 Jahren verstarb er an einer Herzerkrankung. Sein jüngerer Bruder Friedrich Wilhelm Becker (1773–1847) ist der Urgroßvater der Bremer Künstlerin Paula Modersohn-Becker (1876–1907).